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Thorani - Archetyp der Erdenmutter in Thailand

Aktualisiert: 15. Jan. 2020


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Phr Mae Thorani - die Erdenmutter wringt ihre Haare aus

Obwohl - oder gerade weil - sich in Thailand fast 95 Prozent der Bevölkerung zum Buddhismus bekennt, haben die alten Wurzeln der Naturreligionen immer noch einen festen Platz in Thailand und ganz Südostasien. Das bekunden zum Beispiel auch die obligatorischen Geisterhäuschen auf den Grundstücken der Thais, mit denen die durch den Hausbau vertriebenen Geister ein neues Heim erhalten. Seit mehr als 2000 Jahren beeinflussten verschiedene Strömungen und Lehren aus Indien, China und Kambodscha den Buddhismus in Thailand, so dass man von einer Mischform sprechen kann, die in Thailand als solche einmalig ist. Es ist daher nicht verwunderlich, dass man hier auch oft die aus dem Chinesischen Buddhismus entstammende Bodhisattva ("Göttin") Kuan Yin antrifft, die auch in Vietnam, Kambodscha, Korea und Japan bekannt ist ("Kannon"). Sie verkörpert als Sinnbild (Archetyp) die weiblichen Aspekte und Tugenden. Sie schützt, schlichtet, behütet und bewahrt. Sie ist aber weder dem "Himmel", also dem Göttlichen (wie unsere "Gottesmutter Maria") zugeordnet, noch dem Irdischen. Viele einzelne und teils nur regional bekannte Gottheiten und Bodhisattvas wachen über alles Irdische und die Erde selbst in Thailand. Die meisten Thais behängen sich daher nicht selten mit den verschiedensten Amuletten und setzen Figürchen in ihre Taxis, um möglichst viele dieser Schutzgeister bei sich zu haben.


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an den Spiegeln der Taxis in Thailand geht es bunt zu. In diesem Fall ist das noch eher überschaubar!

Da man unmöglich alle Namen, Zeremonien und Fähigkeiten der einzelnen Götter merken konnte, brauchte es ein Sinnbild, eine Sammelgottheit, die alle Tugenden der erdverbundenen Naturgeister und Götter in sich vereint. Diese gibt es in Form der Göttin Phra Mae Thorani, welche in ganz Südostasien als Erdengöttin verehrt wird. Sie ist der irdische Kontrapunkt zum erleuchteten Buddha, welcher der irdischen Welt entschwunden und nach Erreichen des Nirvana in diesem aufgegangen ist. Eine Himmelsgottheit wie z.B. im Christentum gibt es im Buddhismus nicht - Buddha ist kein Gott, und der Buddhismus keine Religion.


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Phra Mae Thorani vertreibt die Dämonenschar des Mara mit Wasser, während Siddharta Gautama unter dem Bodhibaum meditiert

Der Legende nach erschien Phra Mae Thorani, als die Heerscharen des Dämonen Mara versuchten, Siddharta, den späteren Gautama Buddha, aus seiner Meditation zu reissen. Sie berührte den Boden, kniete nieder und wand Ströme von Wasser aus ihrem Haar, welche die Dämonen zurück in die Unterwelt trieben. Ihre Fähigkeit in Verbindung zur Erde machten sie somit zur Erdengöttin, und als solche wird sie in ganz Südostasien verehrt. Viele Abbildungen, Brunnen, Figürchen und Amulette zeigen die kniende, Haare auswindende Göttin. Jeder Thai kennt und verehrt sie.

Der weibliche ("Yin"-) Aspekt des erd-gewordenen Göttlichen findet sich in allen Kulturen über die ganze Welt - mit unterschiedlichen Namen und Geschichten, doch die Archetypen sind allesamt weiblich. Auch in Europa wurden als Grabbeigaben früher Siedler Holz- und Steinfiguren von Erdgöttinnen gefunden. Bei uns war sie unter vielen Namen im Volksglauben über Jahrtausende hinweg bekannt als "Percht", "Frau Holle", später die Matronen oder "3 Marien", welche die "heidnischen" Muttergöttinnen der Erde durch die Inquisition in die heutige zeit trugen.

Die Wasser ausgiessende Phra Mae Thorani steht zudem durch das Wassersymbol für die Fruchtbarkeit, die Fülle und die Reinigung. Alles ist im Fluss, alles in Bewegung, nichts ruht für immer. Sie ist die "Mutter Erde", die uns gebärt, ernährt und behütet. Entsprechend gross ist die Verehrung für sie, und viele Mantras und vedische Schriften sind ihr gewidmet.


Wer also in Thailand weilt und an einer solchen Figur mit "Kopfschlauch" vorbei kommt, der sei von Herzen eingeladen, sich gern an diesen Text zu erinnern und im Vorübergehen einen kurzen Dank an sie auszusprechen - oder gar ein Räucherstäbchen in den Sand zu stecken.




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