Achtung Abzocke! Floating Market in Thailand
- Ye-Soon und Horst
- 1. Juli 2020
- 5 Min. Lesezeit

Ja, etwas anderes fällt uns zu dem Thema grade nicht mehr ein. Wir wurden schulmässig über den Tisch gezogen, obwohl wir grosse Fans von Peter Giesels gleichnamiger Fernseh-Serie sind und schon viel über die Maschen der Touristen-Nepper in Thailand und anderswo gesehen und gelacht haben. Wie blöd muss man sein, um auf sowas reinzufallen!
Wir waren mit einem privaten Chauffeur unterwegs von Hua Hin nach Bangkok. Kurz vor Bangkok fiel ihm ein, wir könnten ja auch bei der Gelegenheit grade noch einen schönen Floating Market besichtigen. Floating Markets sind die berühmten schwimmenden Märkte, wo sich das ganze Marktleben auf kleinen Booten abspielt. Der Damnoen Saduak Floating Market sei der einzig authentische und zudem älteste Markt und eben keine Touristenfalle. Den hatten wir eigentlich nicht auf dem Radar für unseren Bangkok-Möbelkauf-Trip, aber fürs Einchecken im Hotel war es sowieso noch zu früh. Also warum nicht...

Es ist einfach unglücklich, wenn man bei sowas spontan entscheiden muss. Wir schauen sonst immer in Tripadvisor oder anderen Quellen nach, ob sich der Besuch lohnt. Diesmal hat es uns also doch erwischt. Runter von der Autobahn und ab in die Provinz. Nach einer halben Stunde Fahrt ins Nirgendwo stehen wir vor einem leeren, aber riesigen Parkplatz. Oh, geschlossen - Corona. Na, dann eben ein anderes Mal. Wir weisen den Fahrer an, uns ins Hotel zu fahren. "No, No! All open, Sir!" ruft er und tritt aufs Gas Richtung verwaistem Eingang. Das erste komische Gefühl grummelt im Magen, die ersten zweifelnden Blicke werden getauscht. Entweder haben wir das grosse Los gezogen und dürfen jetzt ganz ohne andere Touristenströme den Floating Market geniessen, oder wir landen in einer üblen Abzocke. Dazwischen gibt es hier nichts. Der Fahrer lacht unentwegt und schiebt uns Richtung check-in. Dort werden wir von einer Dame mit Katalog empfangen...nicht gut.
"You want to see elephant show?" No.
"You want to see crocodile show?" No.
"You want to see tiger show?" No.
"You want to make photo with baby monkey?" No.
Wir werden den ganzen Katalog durch gequält und die Laune der Dame wird immer schlechter. Natürlich würde alles Aufpreis zu der zweistündigen Bootsfahrt kosten. Also nur ein Foto mit einer Giraffenhals-Frau extra gebucht für 500 (!) Baht oben drauf und dann mit Kloss im Hals 4.000 Baht, umgerechnet über 120 Euro hingeblättert. Na da müssen sie uns jetzt aber einen authentischen Floating Market zeigen, wo hunderte von bunten Booten mit Strohhut-Omas und allerlei Obst und Gemüse an uns vorbeiziehen.
Mit einem Schnellboot, auf dem ein Vierzylinder Automotor mit geschätzten 100 PS montiert war, ging es ab in ein Labyrinth aus Kanälen und fast zugewachsenen Khlongs.


Nach einer halben Stunde hatten wir nur geschlossene Verkaufsläden an den Kanälen und recht verwahrloste Stelzenhäuser gesehen. Langsam kam dann schon Frust auf und uns wurde klar: Viel besser würde es nicht werden.

Anfangs dachte ich noch, das wären die Rückseiten der Verkaufsstände, da der Markt auf der Innenseite des Khlongs liegt und wir nur die Zufahrt benutzen. Das war Wunschdenken. Die Buden waren definitv geschlossen, wie wir an einer einzigen geöffneten Bude links auf dem Bild sehen konnten. Dort wurde uns bei langsamer Vorbeifahrt ein Bierchen zu Wucherpreisen entgegen gehalten..danke. Dann bogen wir in einen Kanal ein und - aaah! Leben, Menschen, Musik! Ein erster Lichtblick in dieser feucht dümpelnden Tristesse. Die Coconut-Farm war erreicht. Nach Aussage der Ticketverkäuferin handelt es sich um eine Manufaktur für allerlei Kokosnuss-Produkte, die dort hergestellt werden. Wir könnten sehen, wie Kokosnüsse verarbeitet werden. Wir haben keine einzige Kokosnuss gesehen. Vom Ausstieg aus ging es direkt in einen ca. 200 m2 grossen Verkaufsraum mit dem üblichen Touristenramsch. Ein offensichtlich bekannter junger Thai, wohl ein Schauspieler, produzierte umringt von Mädchen und Kameras irgendwelche Kokos-Kekse. Das war es auch schon mit der Attraktion dort.

Zurück ins Boot und weiter auf endlosen, menschenleeren Kanälen. Dann wird der Khlong breiter und ein grosses Tor verkündet: Wir sind angekommen an Thailands ältestem Floating Market! So-jetzt aber! Ausser dem Schild ist aber erstmal nichts zu sehen. Dann tatsächlich eine offene Verkaufsbude und - jaaa! Eine Oma mit Reisstroh-Hut in einem Boot! Sie interessiert sich aber mehr für die Seifenoper auf ihrem Handy und wir sehen sie nur von hinten...

um die nächste Kurve weitet sich der Kanal dann zu einem kleinen See. Und man glaube es nicht...hier sind tatsächlich 5 Boote mit Früchten und Suppenkübeln unterwegs! Wenn man bis dahin nichts gesehen hat, ist man schon damit happy. Sehr geschickt. Wir werden nur das Gefühl nicht los, dass die Damen nur in den Booten sitzen und die Hüte auf haben, weil unser Steuermann zehn Minuten zuvor per Handy unsere Ankunft avisiert hat.
Trotz offensichtlichem Fake kaufen wir von den Frauen eine wunderbare Pomelo und ein Kokosnuss-Eis zur Erfrischung.


Nachdem wir die 5 Verkaufsbötchen gesehen hatten, ging es wieder Vollgas durch leere Kanäle bis zu einem schönen Tempel, eine echte Oase im Grünen. 20 Minuten später ging es weiter durch das Nichts bis zu einer weiteren Anlegestelle, wo wir schon empfangen wurden. Umsteigen in einen elektrischen Golf-Caddy und raus auf die Strasse! Oh was kommt jetzt noch...Nach einem Unterqueren der Autobahn landeten wir am Eingang eines herunter gekommenen Freizeitparks, wo uns ein riesiger Grüner Hulk und ein nicht mehr ganz frischer Spiderman aus Plastik empfingen. Blankes Entsetzen machte sich breit....und wir fuhren durch Plastik-Pilze und Ninja-Turtels zu einer Art Plastik-Dschungelcamp, wo wir aussteigen sollten. Wieder freundlich empfangen und plötzlich von einem Fotografen begleitet, den ich gleich mal wieder in die Wüste geschickt habe. Mit Funkgeräten wurde den Ständen mitgeteilt, dass jemand kommt, und plötzlich waren Menschen zu sehen. In dem Plastik-Camp waren einige der Giraffenhalsfrauen vom ethnischen Stamm der Padaung untergebracht. Sie betreiben kleine Stände mit billigen Souvenirs und hausen in kleinen, bescheidenen Holzhütten hinter den Ständen. Ein stolzes, vertriebenes Volk, hier ausgestellt und bloss gestellt. Wir haben der Ältesten (wir kennen sie schon aus dem Fernsehen) einen überteuerten Fächer abgekauft und ein Foto geschossen. Von den beim Eintritt bereits bezahlten 500 Baht für das Foto wird sie keinen einzigen Baht sehen. Ihren Blick dürft Ihr auf dem Foto unterhalb gerne selber interpretieren. Wir haben uns anschliessend nur geschämt. Das würden wir nie mehr machen, aber es gehört auch diese Erfahrung zu unserer Geschichte. Wie gern hätten wir sie lieber in ihrem Heimatdorf in den Bergen besucht.



Nach dem kurzen Besuch bei den Padaung wurden wir von Tiershow zu Tiershow geschoben, wo wir überall ablehnten. Diese "Shows" sind absolut das letzte, was wir uns ansehen würden und die Tiere werden unter unwürdigen Bedingungen gehalten. Das unterstützen wir nicht - sehr zum Unmut unserer Begleiter. Je weniger Leute so etwas ansehen, desto schneller ist Schluss mit solchen Shows und den Tierhaltungen. Aber zum Glück haben die Shows ja die Chinesischen Touristen, denen das herzlich egal ist - wie wir auf vielen Fotos von den Shows sehen konnten. Angewidert und mit schlechtem Gewissen ging es mit dem Golf-Caddy zurück zum Boot und dann nach 15 Minuten Vollgas zurück zum Auto.
Unser Fahrer empfing uns mit breitem Grinsen - schon klar. Wir erklärten ihm unsere Eindrücke und er entschuldigte sich tausendmal. Würde er nie mehr empfehlen sowas - schon klar. Die Provision vom Zirkus hat er eingesteckt - dafür gabs aber von uns kein Trinkgeld.
Wenn in Thailand irgendwo von Floating Markets die Rede ist, sind das zumeist künstlich für Touristen geschaffene Tümpel oder umgestaltete ehemalige Reisfelder, die absolut nichts mit echten, alten Floating Markets zu tun haben. Diese Märkte sind einfach nur ein einziger Betrug, egal ob in der Nähe von Bangkok, in Pattaya oder bei uns in Hua Hin. Ein Markt, der Eintritt kostet und Krokodil- oder Schlangenshows anbietet, ist kein Floating Market. Wir haben 120 Euro ins Wasser gesetzt. Das ist hier in Thailand ein halber Monatslohn. Nachträglich hoffend, dass wir in dieser Krisenzeit wenigstens von dem teueren Eintritt einige menschliche Existenzen in Covid-Zeiten unterstützen konnten. Die echten Floating Markets, die die Verkäufer auf Boote gezwungen haben, weil der Boden in Überschwemmungsgebieten wertvoll war, sind abzählbar. Und Taxifahrer mit speziellen Ortskenntnissen sind eben auch mit Vorsicht zu geniessen. Unserer hatte einen faulen Tag und mindestens den Lohn von 10 normalen Arbeitstagen im Sack. Wir sind schlauer geworden - hoffentlich.
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