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Thailand hat ein Müll-Problem

Aktualisiert: 2. März 2023

rotz unseres wunderbaren Lebens im kleinen Paradies gibt es immer wieder Fakten, die einen Europäer mit angestrebter Klima-Neutralität und Samstags-Kehrgewohnheiten schaudern lassen. An die von Plastiktüten und Müll gesäumten Strassen haben wir uns nach drei Jahren Thailand zwangsweise gewöhnen müssen. Was wir heute einmal ansprechen wollen bzw. müssen, geht allerdings weit über fliegende Tüten an den Zäunen hinaus.


ganz normal: Plastikmüll-Verbrennung auf der Baustelle gegenüber von unserem Haus

Fangen wir mal klein an-mit dem normalen Hausmüll, der in Thailand produziert und nach wie vor nicht geregelt entsorgt wird. Die Müllabfuhr kommt hier nur, wenn man seine Abgaben regelmässig bezahlt. Also eigentlich nur zu Restaurants, Hotels und ausländischen Bewohnern, die brav ihre maintenance fee monatlich entrichten. Ansonsten stehen draussen auf den Strassen ab und an Blaue Plastikfässer, die vor Abfall überquellen und stinken wie eine vor 2 Wochen geplatzte Babywindel. Hier wirft jeder sein Zeug unsortiert hin, der eben nicht die Müll-Abgabe bezahlt. Mülltrennung und Recycling findet hier so gut wie nicht statt. Die Müllmänner kratzen bei Abholung lediglich Flaschen aus dem Müllberg, um sich noch ein paar Baht zusätzlich fürs Pfand zu verdienen. Die Müllautos stinken wie ihr Inhalt und sind komplett offen. Deponien oder Sortierwerke zur Aufbereitung gibt es so gut wie keine. Die Gemeinde hat neulich über nacht in unmittelbarer Nähe eines Wohnparks für Europäer ein Grundstück zur Deponie erklärt und angefangen, Müll dort ohne weitere Massnahmen abzuladen. Erst durch den massiven Einspruch der Anwohner konnte die Gemeindeverwaltung davon überzeugt werden, dass dies wohl nicht der geeignete Ort für eine Deponie war - von der Grundwassergefährdung ganz zu schweigen. Aber dies ist in Thailand sowieso kein Thema. Das Trinkwasser kommt aus grossen Stauseen in den Bergen, wer braucht am Meer schon sauberes Grundwasser. So die grundsätzliche Einstellung der einheimischen. Bravo.


der Plastik-Strohhalm wird nachgereicht...

Ich bin mit dem Roller oft an einem etwa 200 Meter langem und 10 Meter breiten Graben auf einem brachliegenden Grundstück vorbeigefahren, der nach und nach gezielt mit Müll aufgefüllt wurde. Kürzlich hielt ich verwirrt an und rieb mir die Augen: Das Gelände wurde mit Mutterboden zugeschüttet, Rollrasen gelegt und Palmen gepflanzt. Daneben wurde ein kleiner See ausgebaggert und geflutet. Hier dürfen jetzt Touristen gegen Gebühr nach eingesetzten Fischen angeln, ohne dass irgendwer sich um den Abfall darunter oder das giftige Wasser im See Gedanken macht. Mich schüttelt es jetzt noch eiskalt durch. Motto: Wenns keiner mehr sieht, ist es auch kein Problem mehr.

Dies war leider kein Einzelfall - in der Nachbarstrasse wird gerade ein wunderbarer Dorfteich mit Bauschutt und jetzt auch Müll zugeschüttet, mitten im Wohngebiet. Jede Nacht landen ein paar Säcke mehr dort.

Kleiner Tipp: Wenn Ihr in Thailand ein Grundstück kaufen wollt, lasst erstmal eine Baggerschaufel tief graben - könnte sein, dass da nicht nur Boden zum Vorschein kommt!

Diese idyllische Müllhalde war mal ein Teich....unten ein Foto aus 2022

Wenn man in Thailand hungrig ist, dann sicher nicht lange: Streetfood-Buden, Nachtmarkt, Lieferservice und Strandverkäufer sorgen dafür, dass für alle kulinarischen Wünsche gesorgt ist. Allgegenwärtig: Plastik-Besteck, Plastik-Geschirr und Plastiktüten, um die in Plastiktüten eingewickelten Fischbällchen zu tragen. Im Supermarkt bekommt man eine Tüte bereits beim Kauf einer Rasierklinge und keiner denkt kurz nach. Wenn ich dann sage "no plastic bag", gerät mein Gegenüber an der Kasse schon ins Straucheln. Ich habe seinen automatischen Handgriff zum Tütenstapel abgewürgt und den Standard-Ablauf durcheinander gebracht. Uff - und ich war mal Prozessmanager. Ach ja - es gibt sogar Restaurants für take away, die das Essen in Styropor einpacken und dann erst in die extra mitgebrachten Tupperschüsseln legen. Kann man so machen - muss man aber nicht. Beim nächsten Mal machen sie es genauso wieder. War ja schon immer so.

Die Sorglosigkeit im Umgang mit Abfall aller Art lässt uns oft erschaudern. Wundervolle Landschaften werden geziert von flatternden Plastiktüten an Viehzäunen und Bergen an Müllsäcken, die wahllos in der Landschaft auf ihre Zersetzung in 150 Jahren warten. Seltsamer Weise erstrahlen die teils sechsspurigen und frisch geteerten City-Strassen zum Palast und den Militärgebäuden stets wie geleckt und auf Schweizer Niveau.

Gleiches Problem - andere Dimension. Müll ist ein weltweites Riesengeschäft, und nicht alle Geschäfte sind legal oder gar zum Wohle der Umwelt. Eigentlich so gut wie keine.



Im Jahr 2018 verbot China die Einfuhr von festen Abfällen, darunter mehrere Arten von Kunststoffen und anderen recycelbaren Abfällen, aus Sorge um die gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen des Recyclings (was machen die dann eigentlich mit ihrem eigenen Elektroschrott?) Elektronikschrott enthält beispielsweise giftige und krebserregende Chemikalien und Cadmium. Nachdem China das Verbot verhängt hatte, stiegen die thailändischen Importe von Kunststoffabfällen von 70.000 Tonnen im Jahr 2018 auf 550.000 Tonnen im Jahr 2020. Es wird angenommen, dass die tatsächliche Menge weitaus höher ist. Es ist üblich, das falsch deklarierte Lieferungen weder kontrolliert noch beanstandet werden. Ein Päckchen bunter Scheine in die Hand regelt den Rest.

Im letzten Jahr wurde im Zollhafen von Bangkok ein als mit Recycling-Papier deklarierter Container geöffnet, nachdem eine übel riechende Flüssigkeit ausgetreten war. Unter einer 10 cm dünnen Papierschicht fanden sich verrottete Schlacht-Abfälle aus Australien, die in Thailand irgendwo vergraben worden wären. Eine Nadel im Heuhaufen, und für Geld kippen hier Menschen auch mal eine Ladung einfach ins Meer oder lassen einen 50 Jahre alten Frachtkahn mit einigen Tonnen Problemmüll auf Grund laufen.

Der Müllberg in Thailand ist mit der Militär-Regierung seit 2014 enorm gewachsen. Es gibt keine nachhaltigen Konzepte, dieser Vermüllung abzubauen bzw. künftig zu vermeiden. Seit 2018 wurden verschiedene Projekte gestartet, neue Recycling-Anlagen zu bauen und den unkontrollierten Müll-Importen einen Riegel vorzuschieben. Die Gelder sind verbraucht, passiert ist nichts. Einige wenige, kleine Anlagen sind im Grossraum Bangkok in Betrieb, aber sie reichen nicht annähernd aus, um den bereits angehäuften Müllberg zu verarbeiten. Im Gegenteil: Im Namen dieser Anlagen werden noch mehr Abfall-Frachter aus der ganzen Welt Thailand mit Müll überschwemmen. Ein externer Untersuchungsbericht zeigt, dass 80 Prozent der 2.800 Müllentsorgungsbetriebe in Thailand ihre Abfälle trotz staatlicher Richtlinien und Subventionen nicht ordnungsgemäß entsorgen.

Die Thailändische Regierung hat pro forma im Jahr 2020 damit begonnen, die Importe an Plastikmüll pro Jahr um je 50.000 Tonnen zu reduzieren. Bis 2028 soll nur noch landeseigener Abfall verarbeitet werden. Das Department of Industrial Works hat bereits die Erteilung von Genehmigungen für den Import von Kunststoffabfällen eingestellt, aber Fabriken in Freizonen können immer noch Abfälle nach Thailand importieren, da sie anderen Gesetzen unterliegen. Eine Änderung dieser Freizonen-Regelungen ist nicht in Sicht, also bleibt dieses lukrative Schlupfloch der Garant für weitere Millionen Tonnen an Abfall, die nach Thailand verschifft werden.

Inzwischen schadet die Einfuhr von Abfällen nicht nur der Umwelt, sondern gefährdet die Lebensgrundlage lokaler kleiner Schrottsammler. Je mehr Abfall importiert wird, desto weniger verdienen sie mit dem lokalen Abfall, den sie sammeln.


Eine so kurzsichtige und geldgierige Betrachtungsweise ohne jede Gedanken an die Auswirkungen macht mir eine gehörige Gänsehaut. Was man vergräbt, ist vielleicht nicht mehr zu sehen. Aber es ist da, und die Bomben ticken über das ganze Land verteilt.



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