Erster Besuch in der alten Heimat
- Ye-Soon und Horst
- 8. Juli 2022
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Juli 2022
Genau zwei einhalb Jahre nach Beginn der Pandemie konnte ich (Horst) endlich zum ersten Mal meinen im Frühjahr 2020 geborenen Enkel Erik in meine Arme schliessen. Ye-Soon blieb zuhause bei unseren Wauwis (frz.: Hündä) und ich flog gen Westen, all meinen lieben Freunden und Familienmitgliedern in die Arme. Mein Zeitplan war sehr eng-es blieb mir nur eine Woche in der Schweiz mit meinem Enkel, Sohn und Schwiegertochter. Daneben wollte ich natürlich auch möglichst viele Freunde sehen..ein voller Kalender also wie zu besten Bürotagen. Zum Glück konnte ich beim Hinflug gut schlafen, also ab in den Mietwagen und zu meinem Enkel gebraust. Ich war schon etwas unsicher , wie er mir wohl begegnen würde..kannte er seinen Thai-Opa ja bisher nur von Video-Chats.
Als ich schliesslich an der Tür klingelte, sah ich ihn schon durch die Glastüre antrappeln und auf Zehenspitzen die Klinke drücken: „Opa isch daa!“ Mit strahlenden Blauen Augen, einem Grinsen von Ohr zu Ohr und ausgebreiteten Armen gab es kein Eis zu brechen. Der Kleine kam in meine Arme als wäre sein Thai-Opa nie woanders gewesen als hier. Die Gefühle in diesem Moment kann ich überhaupt nicht in Worte fassen.

So habe ich meinen aufgeweckten und liebenswerten Engel…äh Enkel….sehr intensiv erfahren und kennenlernen dürfen. Daneben blieb mir auch noch genügend Zeit, einige der liebsten Freunde in der Schweiz zu besuchen. Allesamt waren so bemüht, mir die wenige gemeinsame Zeit so weit wie möglich zu versüssen und mein Herz mit angenehmen Erinnerungen bis zum Rand zu füllen. Beim Baden im glasklaren Vierwaldstättersee wurde mir wieder bewusst, welches Privileg reines Wasser für die Menschen bedeutet. Während hier alle direkt aus der Wasserleitung trinken können und die Seen glasklar sind, ist dies in Thailand absolut unmöglich. Während einer Cabriolet-Ausfahrt mit dem M3 meines Wingmans Tom stiegen mir Düfte von frisch gemähten Wiesen, Feldblumen und die unvergleichlich süsse Kühle der Wälder in die Nase. Erinnerungen an gemeinsame Motorradtouren und meine Jugend auf dem Land wurden geweckt. Die wunderbaren Strassen ohne Schlaglöcher und die fast schon kitschig aufgeräumt wirkenden Landschaften und Orte schienen wie aus einem surrealen Film. Thailand ist schon wirklich das krasse Gegenteil, auch dies wurde mir gerade mal wieder sehr klar vor Augen geführt.
Und so stark die Unterschiede nun auch vor meinen Augen schwebten…ich fühlte mich in diesen Momenten in der Schweiz trotzdem so, als wäre ich nur kurz in Urlaub weg gewesen. Alles schien mir immer noch so vertraut und selbstverständlich. In meinem Lieblingsbiergarten wurde ich sogar noch mit Namen begrüsst und man erkundigte sich nach unserem neuen Leben. Ein Teil von uns ist wirklich hier geblieben..in allem, was wir hier kennen und lieben.
Auch meinen Göttibuben (Patenkind) und seine Familie konnte ich nach der langen Zeit endlich wieder sehen. Er ist inzwischen ein echter Profi-Biker und hat schon erste Rennen gewonnen. Beim ersten Treffen nach der langen Zeit gings dann auch grad zum Training…ja und Onkel Horst fuhr mit dem Mountainbike mit!


Voller liebevoller Gedanken an alle, die ich in der kurzen Zeit treffen durfte, voller Eindrücke und Gefühle über unerschütterliche und echte Freundschaften, ging nach einer Woche die Reise weiter nach Deutschland. Dort war erster Anlaufpunkt ein Winzerort am Main, wo die Feier zum 80. Geburtstag meiner Mutter anstand.
Was mir jetzt wie auch schon in der Schweiz auffiel war die Unbekümmertheit der Leute bezüglich Ansteckungsgefahr. In Thailand wurde die Maskenpflicht noch gar nicht aufgehoben und hier wird geknuddelt und geknutscht, als hätte es das Virus nie gegeben. Etwas sehr optimistisch wie ich finde, und ich hielt mich auch entsprechend zurück. Ich wollte nach 2 1/2 Jahren brav zuhause bleiben und Maske tragen nun nichts mehr riskieren.
Die Woche vor dem Rückflug verbrachte ich noch bei meinen Eltern und mit Einkäufen. In der Stadt war ich auch fast der einzige, der mit einer Maske vor der Nase herumlief. Absolut nichts deutete mehr auf irgendwelche Pandemien hin….Maskenpflicht ade-Virus ade. Seltsame Denkweise, aber wohl auch Herdentrieb und „endlich frei“-Gefühle.

Drei Tage vor meiner Heimreise kamen meine Eltern plötzlich mit Mundschutz vom Einkaufen zurück. Sie waren noch nach dem Einkauf im Testzentrum und haben sich testen lassen-prompt beide positiv!
In meiner aufkeimenden Panik raffte ich so schnell wie möglich alle Klamotten zusammen und uns blieb dann zu meinem grossen Bedauern nur ein sehr unerwarteter, kurzer und flüchtiger Abschied von meinen Eltern. Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf…und immer wieder das Sch..-Wort. So war das nicht geplant…aber diese ansteckende Krankheit plant auch nicht. Sie ist einfach da, auch wenn man sie ausblendet oder für tot erklärt. Ich traf dann auch noch meinen ebenfalls an Corona erkrankten Sohn Nummer zwei, ohne ihm zu nahe kommen zu dürfen. Welch eine Ironie…nach so langer Zeit sehe ich ihn und darf ihn nicht mal in die Arme nehmen. Auch hier musste es bei einem Winken bleiben zum Abschied…alles Gute dieser Reise schien sich innerhalb weniger Stunden in Luft aufzulösen. Hart und unerbittlich drängte das Hier und Jetzt wieder nach vorne und zeigte diesmal seine Zähne. Noch drei Tage bis zum Heimflug ab München…und diese verbrachte ich in einem Hotel in Bad Tölz zwischen München und Alpen. Bis auf einen Ausflug auf das Braunegg mit kurzer Wanderung und Erinnerungen an wunderbare Bergtouren in der Schweiz blieb ich brav im Hotel. Ich malte mir bei jedem neuen Selbsttest die wildesten Szenarien aus. Was wenn ich jetzt positiv wäre ? Was wenn ich am Flughafen am Scanner mit Fieber rausgefischt werde? Ich beschloss aber, diesen Gedanken nach zwei negativen Tests keinen Raum mehr zu geben und freute mich zunehmend auf die Heimreise. Auto abgegeben, eingecheckt und ohne Probleme mit 7 Stunden Schlaf wieder in Thailand angekommen. Ich bin zuhause-endlich. Trotz all der wunderbaren Menschen und allen Erlebnissen-ich wollte nur noch in mein Zuhause, zu meiner Frau, zu meinen Hundis.
Wir beschlossen aber wegen der eventuellen Ansteckung dennoch, dass ich noch 3 Tage in einem lokalen Hotel verbringen würde zur Sicherheit. Zwei Tage später dann zeigte der Schnelltest nun auch bei mir die fatalen zwei Streifen-ich bin positiv.

Bis auf einen leichten Seemannsgang nach dem Aufstehen habe ich zum Glück keine weiteren Symptome bis heute…Tag 3. Ich schreibe diesen Blog im Hotelzimmer mit Blick aufs Meer und bin zuhause, aber nicht daheim. Nächste Woche werde ich endlich auch daheim sein bei meinen Liebsten…und dies motiviert doch sehr, schnell wieder gesund zu werden.
Ich bin so dankbar und glücklich über die wenige Zeit, die ich mit Euch und bei Euch verbringen durfte, liebe Freunde und liebe Familie. Selbst meine Cousins und Cousinen haben sich ins Zeug gelegt und für einen Abend mir zuliebe alles stehen und liegen gelassen. Ich bin echt überwältigt und danke Euch allen von ganzem Herzen 💞

Noch eine kleine Anmerkung meinerseits an die Maskenverweigerer:
Viele haben gelästert über die trägen Thais mit ihrer späten Aufhebung der Beschränkungen. Aber jetzt sehe ich - zurück in Thailand - dass alle ausnahmslos trotz Wegfall der Maskenpflicht seit 1.7. immer noch selbstverständlich ihre Masken tragen und rücksichtsvoll Abstand wahren. Wer steckt hinter der Maske…gesund oder krank? Solange es keiner weiss, sollte die Maske selbstverständlich bleiben.
Thailand hat bei 75 Millionen Einwohnern heute 2.230 Neuinfektionen landesweit gemeldet.

Als ich vor mehr als 15 Jahren mit meiner Frau zum ersten Mal in Korea war, fielen mir viele Leute auf, die im Winter mit einer Maske wie heute in der Stadt unterwegs waren. Auf meine Frage, wovor die denn Angst hätten, sagte meine Frau: „Diese Leute sind selber erkältet und wollen niemand anderen anstecken“.
So herum würde es in Europa wohl kaum jemand betrachten-geschweige denn freiwillig tun.
Bleibt alle gesund und …. bis zum nächsten Beitrag, dann wieder aus Yobomo-Castle!
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