Frisch verliebt - und wie!
- Ye-Soon und Horst
- 23. Sept. 2020
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Apr. 2023

Oh wer hätte das gedacht...noch vor einem Jahr haben wir berufsbedingt keinerlei Gedanken daran verschwendet, uns einen Hund anzuschaffen. Auch wenn wir beide immer mal von einem Hund zuhause geträumt haben, so wollten wir unser vom Job und Terminen geprägtes Leben keinem Haustier zumuten. Nun haben wir hier in Thailand unseren Umzug ins eigene Haus endlich gemeistert - dazu folgt noch ein eigener Bericht. Zeitgleich haben wir mit unserer Charity-Arbeit im Flüchtlingsdorf an der Grenze zu Myanmar weiter gemacht und endlich unseren Freund Adrian in Pattaya besucht. Er kam als Koch nach Pattaya und hat wegen eines Strassenhunde-Unfalls sein ganzes Leben umgekrempelt. Heute betreut er 70 zumeist gelähmte oder paralysierte Strassenhunde und dazu noch etwa 40 Katzen. Ein Vollzeitjob - und Adrian gibt sein ganzes Geld und seine Zeit für diese Tiere. Es war ein sehr eindrücklicher Besuch, und wir haben höchsten Respekt vor Adrian und seinen Volontären. Zum Thema Strassenhunde haben wir ja schon an anderer Stelle berichtet - siehe HIER

Für diese Sache engagieren wir uns schon seit über zwei Jahren und unterstützen Adrian für Notfälle und Operationen. Seit unserem Besuch bei ihm kam das Thema Hunde-Adoption wieder öfter auf den Tisch, aber eingebunden in Umzugsaktivitäten und letzte Bauphase wollte die Rakete noch nicht zünden. Gleichwohl fanden wir über unseren Thailändischen Anwalt in Hua Hin Kontakt zu einer örtlichen Hilfsorganisation, die von seiner Partnerin geleitet wird. Sie betreibt eine Hundeauffangstation mit Klinik und ein Hunde-Cafe, wo man bei Kaffee und Kuchen von knuddelsüchtigen Vierbeinern umgarnt wird, die ein neues Zuhause suchen. Ye-Soon war von einer sehr lieben und selbstbewussten Mädchen-Wauwi dort ganz besonders angetan. Die Zündschnur brannte also...aber jetzt ist doch noch nicht die Zeit und wir müssen noch umziehen und wir wollen ja noch reisen und....tssschhhhhh...aus war sie, die Lunte. Vorerst. Aber wer mal solche Hundeaugen eine zeitlang gesehen hat, den verfolgen sie dann auch bis in die tiefe Nacht.

Zwischen all den Baustellen- und Handwerker-Terminen wurden wir nun diesen neuen Duft des Abenteuers nicht mehr richtig los. Alle logischen Argumente gegen einen Hund lösten sich nach und nach in Wohlgefallen und süssen virtuellen Hundeaugen auf. Die wissen echt, wie es funktioniert! Gut, komm, wir machen einen Kompromiss. Wir fahren ab und zu mal zu der Auffangstation. Dort sind die Hunde froh, wenn es mal etwas Abwechslung gibt. Ausserdem können wir mit denen dort auch mal Gassi gehen und sie dann wieder abgeben. Keine Verpflichtung und doch mal Hunde-Erlebnis! Super Idee und sofort umgesetzt.
Als wir dann bei der Hunde-Auffangstation ankamen, waren alle Hunde draussen und es war ein riesen Tumult-Empfang für uns Neuen. Alles bellte, sprang am Zaun hoch und die Schwänze wedelten nur so mit den Hunden. Alle - bis auf einen. Dieser sass mit geschlossenen Augen in einem Wännchen voll Wasser und war grade im Geiste wohl auf einer riesigen Wiese mit Knochenbäumen, an denen Würste wachsen. Mich hat es voll erwischt...Liebe auf den ersten Blick - ich war verloren.

Unter all den süssen Welpen und Junghunden, die da auf- und absprangen, um auf sich aufmerksam zu machen, hatte ich nur noch Augen für diesen tief entspannten Pool-Hocker und war restlos von ihm begeistert. Wir zwei gehören zusammen, soviel war für mich klar. Und das, obwohl ich noch nie zuvor einen Hund hatte.
Wir gingen mit den Volontären erstmal ins Büro, und einige der Hunde folgten uns hinein, um uns etwas näher zu beschnuppern. Auch hier lernten wir einige ganz liebe, aber von Autounfällen schwer verletzte und gelähmte Hunde kennen. Ohne solche Stationen hätten die Hunde draussen keine Überlebens-Chance. So spielten wir mit der ganzen Gang eine Weile, und die Gefühle zu Jabba, der damals noch Brass hiess, vertieften sich sehr schnell. Neben Jabba war da noch ein etwa gleich altes Hundemädchen mit einem unbeschreiblichen Gesicht. Sie war sehr schüchtern, aber dies und ihr Blick zogen nun Ye-Soon langsam aber stetig in ihren Bann.

Wieder zuhause waren die beiden kleinen Vierbeiner dann nicht mehr aus unseren Köpfen zu bekommen. Wir kauften ein paar Leinen und Halsbänder, einen Sack voll Leckerli und Umschnalltaschen und schon am nächsten Tag waren wir wieder dort, um die beiden mal auszuführen. Jetzt gab es ein erstes echtes Hallo von den beiden, die uns wie die anderen gleich wieder erkannt hatten. Nach Anlegen der Halsbänder und kurzer Anweisung ging es los...wir beide allein mit zwei kleinen Hunden. Das Abenteuer hatte begonnen. Wir gingen Richtung Strand und noch etwas unsicher, was wir den Hunden schon zutrauen konnten. Am Strand zogen sie dann auch heftig an der Leine und buddelten wie die Maulwürfe. Echt lustig anzusehen, wie sie da tobten. Nach einer Stunde ging es zurück zur Station. Nach der Rückgabe schauten uns die beiden schon sehnsüchtig nach..ohweh. Ok, wir kommen morgen wieder. Das taten wir auch, und wir wurden bereits von den beiden am Zaun sehnsüchtig erwartet. Die Spaziergänge wurden zunehmend entspannter und wir selbst trauten uns dann auch etwas mehr. Dann kam der Tag, wo wir einfach instinktiv den Hunden am Strand die Leinen abknipsten und sie frei springen liessen. Ach was war das für eine Freude! Sie sprangen und rannten wie die jungen Rehe am Strand entlang, preschten in die Wellen und wieder zurück, buddelten nach Herzenslust, dass der Sand nur so zwischen den Hinterbeinen flog. Und das schönste: Sie schauten immer nach uns, wo wir gerade waren und blieben immer in unserer Nähe. So liefen wir ganz entspannt am Strand entlang und die beiden tollten um uns herum. Das war ein Schlüsselerlebnis für alle, glaube ich. Wenn man erlebt hat, wie ein Hund frei und unbeschwert am Strand tollen kann und trotzdem schon nach wenigen Tagen jederzeit auf Zuruf kommt, ist das ein unbeschreiblicher Moment. Schaut Euch das einfach mal an:
Je öfter wir mit unseren neuen Schützlingen unterwegs waren, desto schwerer fiel auch der Abschied. Jedes Mal mussten sie ihre neue Fast-Familie wieder verlassen und zurück ins Rudel, wo einige andere Hunde das Sagen hatten. Wir fühlten uns zunehmend elend bei dem Gedanken. Aber wir waren uns inzwischen ganz sicher, dass wir die beiden zu uns nach Hause nehmen würden. Jabba und Kyrah sollen bei uns ein neues Zuhause finden. Doch jetzt mitten im Umzugstrubel undenkbar...wir müssen alle durchhalten. So holten wir die Hunde ein paarmal tagsüber zu uns ins Mietshaus und liessen sie im Garten tollen, während wir den Umzug vorbereiteten. Die beiden hatten zuvor noch nie weiches Gras erlebt und robbten nun auf dem Bauch über den ganzen Rasen. Natürlich bekam Jabba auch eine Wanne spendiert und konnte nach Herzenslust in seinen Privatpool springen.

Die Hunde in dieser Phase wieder zurückbringen tat schon fast körperlich weh. Sie waren inzwischen mit uns vertraut, freuten sich wie kleine Kinder über jede winzige Zuwendung und warfen uns dann abends zum Abschied sehnsüchtige und traurige Blicke zu. Das geht so nicht mehr. Wir haben kurz ein paar tiefe Blicke getauscht und gegrinst...Schliesslich fuhren wir entschlossen zu einem Geschäft mit Tierbedarf und kauften Fressnäpfe, Futter, Leckerli, Flohspray, Quietsche-Entchen, Kauknochen und was noch alles. Mit vollem Kofferraum fuhren wir zur Hundestation und holten unsere Lieblinge ab - endlich für immer. Und von diesem Moment an war unser trautes Leben auf den Kopf gestellt. Rasenlöcher stopfen, Gassi gehen, Nachts raus zum pinkeln (was auch mal eine gute Stunde lang dauern kann-also bei den Hunden). Was solls, morgens um 5 ist die Nacht dann eh zu Ende. Der Fernseher wird angebellt, also bleibt er aus. Und der neue Rasen sieht aus wie ein explodiertes Minenfeld. Aber sie sind jetzt bei uns, und jeden Tag werden wir aufs Reichste beschenkt mit bedingungsloser Liebe, mit Verzeihen fürs Schimpfen, mit Geschmuse beim Aufstehen, mit miteinander wortlos den Sonnenaufgang bestaunen....die Liste ist viel zu lang für hier.
Hunde wurden uns geschickt, um uns glücklich zu machen - haben wir mal in einem Vortrag gehört. Und jetzt können wir das uneingeschränkt unterschreiben. Willkommen in unserer Familie!
Trauriger Nachtrag...wir sind fassungslos und untröstlich. Nach plötzlichem Unwohlsein und einer nicht bekannten Ursache für eine plötzliche Verhärtung der Magengegend verstarb unser geliebter Jabba im November 2021 im Universitäts-Tierspital Hua Hin während einer Not-Operation.

Wir spürten aber beide, dass sein Tod einen Sinn haben musste, und wir erkannten sein Vermächtnis an uns. In seinem Namen soll anderen Strassenhunden geholfen und ein besseres Leben ermöglicht werden. So tragen inzwischen zwei mobile Rettungswägen für Hunderettung Jabbas Namen. Er lebt für viele weiter und und wird für immer in unseren Herzen sein. Jeden Tag. Wir werden Dich niemals vergessen.
Damit unsere Kyrah nicht alleine bleiben muss (sie hatte sehr unter Jabbas Tod gelitten), haben wir uns entschlossen, einen anderen Welpen von der Strasse zu uns zu nehmen. So kam unser Khalid ins Haus - klein, süss und immer müde. Kyrah nahm ihn sofort an und inzwischen sind die beiden nicht mehr zu trennen - auch wenn Khalid als zwei Jahre jüngerer Hund inzwischen bereits einiges grösser und stärker ist als sie. Er kennt seinen Platz, den ihm die kleine grosse Schwester ab und zu deutlich zuweist. Er ist so ein lieber Kerl und ein richtiger Clown - danke Khalid für die vielen Pflaster auf unseren Herzen.
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