Unter wilden Tieren - wegen böser Menschen
- Ye-Soon und Horst
- 21. Mai 2023
- 5 Min. Lesezeit

Die Markierung für die "Wildlife Friends Foundation" auf meiner Google Maps Landkarte spickte schon sehr lange in der Rubrik "da will ich mal hin". Dank eines Freundes haben wir es nun endlich geschafft, dieses Refugium für Wildtiere zu besuchen. Etwa 45 Minuten Autofahrt von Hua Hin entfernt befindet sich diese privat betriebene und aus Spenden finanzierte Auffang- und Pflegestation für diverse Wildtiere. Vor ca. 20 Jahren wurde der europäische Privatmann Edwin Wiek an einem Buddhistischen Tempel auf die vielen dort einfach abgegebenen Tiere aufmerksam. Der Mönch erklärte ihm, dass nach Buddhistischer Lehre auch die Tiere ein gutes Leben haben sollten. Er als Mönch könne dies nicht leisten, aber er könne ein Stück Land zur Verfügung stellen, wenn Wiek sich der Aufgabe annehmen wolle. Wollte er - und inzwischen leben mehr als 700 Tiere auf einem riesigen Gelände. Hier gibt es wesentlich mehr Platz für die einzelnen Tiergattungen als in allen Zoos, die ich kenne.
Und ein Zoo ist diese Wildlife Rescue Center ebenso wenig wie ein Entertainment Park mit Elefantenreiten oder Tigerfotos. In den ethischen Grundsätzen der Foundation ist verankert, dass man den Tieren so viel natürlichen Freiraum ohne Menschenberührung bieten möchte, wie nur irgendwie möglich. Viele Tiere kommen auch verletzt oder verwaist in die Anlage, werden versorgt und gepflegt und anschliessend wieder ausgewildert. Leider ist dies für eine Vielzahl von Bewohnern dieser Foundation nicht mehr möglich. Einige Tiere wurden illegal nach Thailand importiert und könnten in der Wildnis gar nicht übeleben. Andere sind so lange in Gefangenschaft oder an Menschen gewöhnt, dass sie ebenfalls nicht mehr ausgewildert werden können.
Wir fahren zum ersten Gehege unserer sehr empfehlenswerten Tagestour. Es geht zu einer inzwischen 75-jährigen Elefantendame, die in einem eigenen Gehege friedlich ihren Ruhestand geniessen darf. Ihr Körper ist gezeichnet von Misshandlung und jahrzehntelanges Schleppen von schweren Lasten auf dem Rücken.


Wir erfahren an dieser Stelle auch, wie die Elefanten als Babys bereits von ihren Müttern getrennt und in ihrem normalen Verhalten gebrochen werden. Sie werden in kleine Boxen gequetscht und mit Futter gelockt. Sobald sie den Rüssel nach dem Futter ausstrecken, bekommen sie einen Stockhieb. Sie werden brutal gedrillt und ihr natürliches Verhalten abgestellt. Sie müssen arbeiten, betteln, tragen, Kunststücke zeigen...aber dürfen nicht mehr Elefant sein. Manche Elefantenkühe bekommen mehrere Jahre hintereinander jeweils nach der Geburt gleich die Babys entrissen. Ein Drama für diese sozialen Tiere, das die Leben der Elefantenmütter und der Babys einschneidend traumatisieren. Eine solche "Zucht-"Elefantin lebt auch hier. Sie ist inzwischen so aggressiv gegen Menschen, dass selbst die erfahrensten Mahouts sich nicht in ihr Gehege wagen.
Elefantenbullen werden im zunehmenden Alter zu Einzelgängern - mürrische, schlecht gelaunte Opas eben. Zwei von ihnen durften wir kennenlernen. Sie leben in einem weiträumigen Areal, das aber durch betonierte Pfosten statt schattiger Bäume auffällt. Die anfangs schattenspendenden Bäume wurden von den Bullen längst zerstört, so dass nun massive Sonnenschirme mit Betonsockeln den notwendigen Schatten spenden. Auch hier sollte man möglichst nicht zu nahe herangehen. Sie dürfen hier ungestört von Menschen und anderen Elefanten ihre Rente geniessen.

Eine andere Spezies, der wir überall verteilt auf das Gelände begegnen, sind die vielen Affen. Jeder von ihnen hat sein eigenes Schicksal und eine eigene Geschichte. Lebende Kuscheltiere, die plötzlich die Wohnung zerstören oder abgerichtete Makaken, die zur Kokosnuss-Ernte ausgebildet und eingesetzt wurden. Meist werden diese im Alter einfach irgendwo ausgesetzt und sich selbst überlassen - oder an einem Zaun aufgehängt. Man sieht auch viele Gibbons, die durch Einschränkung ihres Lebensraumes mit Menschen in Berührung kommen und dann verletzt oder als Schosstiere verkauft werden. Wenn sie Glück haben, landen sie dann hier. Diese sehr sozialen und in Familienbanden lebenden Gibbons bekommen hier ein Stück ihres natürlichen Lebens zurück. Da Gibbons nicht schwimmen können, haben sie ausser in grossen, 10 Meter hohen Käfigen auch auf einer künstlich angelegten Insel eine neue Heimat gefunden. Man hört ihre Familienrufe kilometerweit und sie sind fast immer in Bewegung, sehr neugierig und klauen gerne im Vorübergehen Besucher-Utensilien.
Ein ganz spezielles Schicksal brachte einen illegal importierten Schimpansen hierher. Er wurde als Baby von Privatleuten aus Afrika eingeschmuggelt und bis zum Alter von etwa 2 Jahren illegal als Haustier gehalten. Als die Halter nicht mehr mit ihm fertig wurden, verkauften sie ihn an einen Supermarkt in Bangkok, wo er die nächsten 35 Jahre mitten in der Stadt als "Attraktion" in einem 2x2 Meter grossem Käfig sass. Er ist selbst 3 Jahre nach seiner Rettung heute noch apathisch, verhaltensauffällig und lebt allein auf seiner kleinen Insel im Refugium. Um diese Anlage zu bauen, setzte sich Edwin Wiek selbst von Kameras begleitet tage- und nächtelang in diesen kleinen Käfig, um Spenden für das neue Zuhause des Schimpansen zu sammeln. Er konnte durch diese Aktion über 30.000 Euro sammeln, so dass er nach Verlassen des Käfigs mit dem Bau der Anlage beginnen konnte.


Leider ist der illegale Import von Wild- und Haustieren bis heute ein riesiges Geschäft in Thailand. So leben auch unter anderem ein riesiger und für Menschen sehr gefährlicher Kasuar, einige Fischotter, einige Grosse Agamen-Echsen und sogar ein Puma hier. Allesamt von privaten "Tierfreunden" abgegeben oder aus deren Händen gerettet. Selbst ein Hausschwein hat es geschafft, hier alt werden zu dürfen. Es hat an jedem Vorderfuss 6 Zehen - es gilt somit als heilig und darf nicht verspeist werden.
Wir fahren mit dem Safari-Bus weiter zu einem Bärengehege. Hier leben derzeit neun Thailändische Schwarzbären. Uns wird erklärt, dass diese wegen ihrer Bedeutung für die Chinesische Medizin illegal gehalten und gezüchtet werden. Ihnen werden lebend die Krallen und Zähne entnommen und die Gallensäfte abgesaugt, um sie lukrativ nach China zu verkaufen. Die Bären leiden Höllenqualen und entwickeln durch die ständige Gallensaft-Entnahme oft Entzündungen und Tumore, die zu einem qualvollen Tod führen. Aber auch tot sind die Bären noch wertvoll: Fell, Pfoten, Leber, Zähne und Geschlechtsorgane gehen für dicke Geldbündel nach China. Hier liegen die Bären in einer Hängematte oder machen Yoga...sie haben es sich redlich verdient.
Neben vielen anderen Tieren auf unserem Rundgang gibt es noch eine kleine Sensation zu bestaunen: 9 Bengalische Tiger, gerettet aus einem wegen der Pandemie bankrotten Zoo auf Phuket, fanden hier eine neue Heimat. Es handelte sich um die grösste Tiger-Rettungsaktion der Thailändischen Geschichte. Im Jahr 2022 wurden die fast verhungerten Tiere in Phuket abgeholt und hier medizinisch versorgt und wieder aufgebaut. Inzwischen leben diese imposanten Tiger, die mit den wilden Thailändischen Tigern nicht vergleichbar sind, in einem riesigen Areal mit viel Wasser und Versteckmöglichkeiten. Auch Tiger sind wegen ihrer Bedeutung für die Chinesische Medizin, insbesondere für die Manneskraft, stark dezimiert worden. Ein lebender Tiger hat als lebendes "Medikament" einen Marktwert von 50.000-70.000 US Dollar. Aber nur in China. Das Tiger-Gehege wird besonders gut überwacht und soll in erster Linie die Tiger schützen, nicht die Besucher.
Trotz aller Nähe zu den Wildtieren werden wir immer wieder auf die Wahrung von Mindestabständen hingewiesen. Kein Streicheln, keine Foto-Posings mit jungen Affen, keine Elefantenritte. Alles bleibt so, wie die Natur es wollte - mit einer kleinen Ausnahme. Zwei ehemalige Arbeitselefanten, die sehr gutmütig und an den Umgang mit Menschen gewohnt sind, lassen sich von uns mit selbst gemachten Bananen-Knödeln verwöhnen.
Alles um uns herum wirkt sehr professionell, aufgeräumt, gereinigt und sehr gut organisiert. Überall treffen wir Volontäre aus der ganzen Welt, die hier ohne Bezahlung für ein paar Wochen oder Monate anpacken. Eine Erfahrung, die man jedem jungen Menschen nur wünschen kann. Denn es braucht neben Aufklärung eben auch die eigene Erfahrung mit diesen wundervollen Geschöpfen, um das Ruder für unsere Welt noch zu drehen.
Während ich dies geschrieben habe, sind etwa 40 Arten weltweit für immer verschwunden.
Für weitere Infos zur Wildlife Friends Foundation und zur Arbeit als Volontär, klicke bitte hier
Weitere Videos zur Arbeit und zur Geschichte von WFFT gibts hier auf Youtube.
Comentarios