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Zwei Jahre in Thailand - Gedanken über das angeschlagene Paradies




Vorweg wird die erste und wohl in Gedanken am häufigsten gestellte Frage gleich beantwortet:

"Habt Ihr es schon bereut?"

NEIN!


Auch wenn uns gleich nach unserer Ankunft Ende 2019 die Pandemie ein ganz anderes Leben als geplant beschert hat, auch wenn wir statt zu Reisen nun mit Hund meist zuhause sitzen oder am lokalen Strand spazieren gehen....diese turbulenten zwei Abenteuer-Jahre in Thailand haben unser Leben nachhaltig verändert und durch viele Höhen und Tiefen geführt. Wir wissen, dass diese Erfahrungen uns weiterbringen und vieles mit anderen Augen sehen lassen. Das war und ist nicht immer einfach zu verarbeiten, aber es bringt uns dem wirklichen Leben nach unseren Berufsjahren sehr viel näher, als wir anfangs für möglich gehalten haben. Wir hatten natürlich auch nie auf dem Radar, dass eine Pandemie uns für mehr als zwei Jahre von unseren Familien trennen würde. In dieser Zeit wurde unser Enkel Erik geboren, der uns nur von Video-Chats kennt - und Ye-Soons Papa ist in Zürich verstorben, ohne dass sie reisen konnte.

Wie die meisten von Euch bereits wissen, sind wir seit Beginn der Pandemie sowohl aktiv als auch als Unterstützer für diverse humanitäre Aktionen unterwegs, und derzeit ist noch lange kein Ende in Sicht. Die anhaltende Pandemie und die dadurch ausbleibenden Touristen als Haupt-Einnahmequelle haben das Land in eine tiefe Depression gestürzt. Aus der Hüfte geschossene Entscheidungen der Regierung und fehlende Nachhaltigkeit im Wiederaufbau des Tourismus haben die Reise-Willigen aus aller Welt langfristig abgeschreckt. Sandbox-Modelle in Phuket und Bangkok sind am uneinigen Bürokratismus und mangelhafter Umsetzung grandios gescheitert, werden aber als Erfolgsmodelle von der Regierung gefeiert. Erst jetzt lockert Thailand als eines der letzten Länder überhaupt die Reisebestimmungen und hofft auf Besucherströme und endlich wieder fette Zeiten im Tourismus.

Bangkok Airport- mehr als zwei Jahre ohne die Geld-bringenden Touristen

Tatsache ist jedoch, dass die Mehrzahl der Thailänder mit Zusammenbruch des Tourismus um ihre nackte Existenz kämpfen muss. Diese Löcher werden die ersten Touristen ab Sommer diesen Jahres sicher nicht mehr stopfen. Viele Läden sind für immer dicht und inzwischen auch recht heruntergekommen. Dazu kommen noch Hunderttausende nicht registrierte Tagelöhner und Bürgerkriegsflüchtlinge aus Myanmar.

Wenn der Staat nicht funktioniert, müssen wir Menschen als Gemeinschaft eintreten. Nicht gegen, sondern für etwas einstehen. Dies macht den grossen Unterschied für uns aus. Während sich in Europa Verschwörungstheoretiker, Querdenker und Reichsbürger (?)aus Langeweile sinnlose Kleinkriege gegen alles und jeden liefern und ein sinnloser echter Krieg in der Ukraine tobt, finden sich hier Menschen zusammen. Menschen, die nicht zuschauen. Menschen, die anpacken, um anderen das Leben etwas erträglicher zu machen und vor allem die Mägen zu füllen. Dies erfüllt uns sehr und hat uns mit tollen Leuten zusammen geführt, die ihre eigenen Belange hinter die der anderen zurückstellen. Man lernt wieder Demut und einen ganz neuen Blick auf den Wert des Lebens. Wir haben gesehen, was es heisst, wirklich Sorgen zu haben. Wir haben dadurch auch Dankbarkeit, Wärme und Freundschaft erfahren dürfen. Dies ist unsere Motivation...tägliche kleine Wunder, ein wenig Normalität, ein wenig Lebensqualität zurück geben. Wir bleiben in dieser Energie. Glück und Liebe sind das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es verschenkt.



die Flüchtlingskinder freuen sich über jede Kleinigkeit
das Auto vollgestopft mit Tierfutter für die Hunde-Retter
3 Tonnen Reis von uns gehen an die Grenze zu den Flüchtlingen

Unser Jabba ist nicht mehr bei uns


Unser grösster Tiefschlag traf uns völlig unvorbereitet. Am 5. November ging unser über alles geliebte Jabba über die Regenbogenbrücke. I


Aufgefallen war uns nur ein etwas hartes Bäuchlein, was aber immer wieder verschwand. Nach unklaren Diagnosen von mehreren Ärzten brachten wir ihn in ein Tier-Spital. Zwei Tage später verstarb unser geliebter Bub während einer Not-Operation. Wir können es nur schwer begreifen, warum dieser wunderbare Hund im Alter von nur 18 Monaten so jäh aus unserem und Kyrahs Leben gerissen wurde. Er ist immer noch bei uns - und oft laufen uns noch die Tränen über die Wangen-so wie jetzt gerade beim Schreiben.

Wir haben im März dann wieder einen geretteten Welpen aufgenommen, der mit seinen 4 Geschwistern in einem Karton im Wald deponiert gefunden wurde. Er ist jetzt 6 Monate alt, wächst schnell, ist sehr clever und ein richtiger kleiner Clown. Kyrah blüht wieder auf mit ihm und die beiden sind inzwischen unzertrennlich. Aber unser Jabba bleibt einmalig und unvergessen. Unsere Herzen sind zwischendurch immer noch schwer und wir hoffen auf die Zeit.


Kyrah (links) und ihr neuer "kleiner" Bruder Khalid

So - jetzt mal etwas schönes zwischendurch. Rund um unser Zuhause hat die Natur inzwischen Wunderbares beschert. Die Pflanzen gedeihen unglaublich gut, und unser ursprünglicher Garten ist kaum noch zu erkennen. Viele Ideen kamen noch dazu und wurden umgesetzt, so dass wir jetzt wirklich unser kleines Paradies in vollen Zügen geniessen dürfen. Wir fühlen uns sehr wohl in unserem Zuhause und haben eine sehr nette, internationale Nachbarschaft. Man trifft sich abends im Ressort auf den Strassen zu einem Plausch, der manchmal auch bei einem Bierchen im Garten endet. Wir sind sehr glücklich hier!




Gartenteil August 2021

Jabba`s Place Mai 2022 - selber Baum

und abends Papa`s privater Biergarten






Nochwas zum Kopfschütteln oder Wundern - aber eben typisch Thailand:

Nachdem zum Thailändischen Neujahr wieder täglich hunderte von Menschen auf den Strassen wegen Alkohol am Steuer ums Leben kamen, gilt ab 1.9. eine Kindersitz-Pflicht. Gut - nur die wenigsten Thais besitzen ein Auto, sondern sind als Familie auf den Rollern unterwegs, was auch die hohe Todesrate erklärt. (über Tausend Menschen in 4 Tagen!)

Normal in Thailand. Wir selber mussten neulich auf der Autobahn zusehen, wie zwei Roller mit 4 Personen bei Tempo 100 neben einem LKW ins Schleudern gerieten und die jungen Männer ohne Helme durch die Luft flogen.


"wenn Sie betrunken sind, fahren Sie bitte langsam"

Kindersitze im Auto sind ab 1.9. Pflicht - was für ein schlechter Witz!

Es bleibt spannend, es bleibt bereichernd und erfüllend, oft chaotisch. Wir schwimmen im Lebensstrom mit und lassen immer mehr die alten Ärgernisse und Aufhänger hinter uns. Irgendwie funktioniert hier alles (irgendwann wieder), nur eben als Europäer muss man seine Erfahrungen und Gewohnheiten an der Zollkontrolle abgeben...oder nach einigen Monaten resignierend wieder zurück in die Heimat zügeln.

Wir haben längere Zeit Pause gemacht, aber jetzt gehts hier wieder weiter - so wie das Leben draussen auf den Strassen vor unserem Garten langsam wieder erwacht. Danke für Eure Geduld - der nächste Blog kommt bald :-) Ich bin ab Mitte Juni erstmal bei unseren Familien und Freunden in der Schweiz und in Deutschland...endlich!





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